Werte und Bewerten

Eine langjährige gute Freundin sagt schon seit einiger Zeit in Gesprächen über Personen und ihr Handeln: „Ich möchte das aber jetzt nicht bewerten“. Zuerst hat mich das irritiert! Wieso will sie etwas nicht bewerten? Was ist denn daran so verwerflich? Bewerten wir nicht alle in bestimmten Situationen, und das ist doch auch wichtig? Mein Beispiel war mein Verhalten im Straßenverkehr – da muss ich doch bewerten, ob das herannahende Auto langsam genug ist, damit ich gefahrlos über die Straße gehen kann.

Ja, das ist natürlich auch richtig! Aber das Bewerten von Menschen und ihrem Sein und Handeln geht davon aus, dass meine für mich bedeutsamen Werte auch für andere eine vergleichbare Bedeutung haben müssen. Denn unser aller Handeln hat etwas damit zu tun, welche Werte uns wichtig sind.
Der Sozialwissenschaftler und Psychologe Edgar Schein hat in seinem 3-Ebenenmodell, das wir auch als Seerosenmodell bezeichnen, die Werte und Überzeugungen als die Wurzeln unseres Handelns gesehen.
Unser Verhältnis zu den Werten ist schwerlich änderbar. Für den einen ist Geld sehr zentral in seinem Leben, für die andere die Anerkennung, für wieder andere Menschen ist es Unabhängigkeit oder Leistung. Und diese Werte bedingen unser Denken und auch unser Urteil.

Bedeutsam ist jedoch, dass wir erkennen, dass jeder Mensch aus einem unterschiedlichen Verhältnis zu verschiedenen Werten handelt. Es ist sehr erleichternd für uns, wenn wir unsere Werte nicht als den Maßstab allen Handelns sehen. Wir können dann anerkennen, dass unser Gegenüber aus ganz anderen Motivationen und ganz anderen Erfahrungen heraus denkt und handelt. Und solange dieses Denken und Handeln sich nicht gegen einzelne Personen oder Gruppen richtet, können wir es doch einfach stehen lassen und müssen nicht darüber urteilen.

Schauen wir unseren eigenen Wertekanon an und inwiefern er uns leitet. Und dann erkennen wir auch die Gründe für unser eigenes Verhalten und können dies leichter akzeptieren. Aus dieser Akzeptanz heraus wachsen eventuell für uns selbst neue Erkenntnisse! Unsere Möglichkeiten, unser Handeln und unser Verhalten zu verändern, haben sich auf diese Weise vergrößert.

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